Unternehmen, die sich mit der Einführung eines ERP Systems oder dem Wechsel zu einem anderen ERP Anbieter befassen, stehen neben der eigentlichen Frage nach dem passenden Umfang meist vor der Frage nach der Betriebsart. Soll die Software auf dem lokalen Server im Unternehmen installiert werden (On-Premises) oder wird eine Cloud-Lösung in Betracht gezogen?
Eine statista Erhebung von 2019 zu den eingesetzten ERP-Modellen zeigt, dass 37% der Unternehmen weltweit ERP Systeme On-Premises, 9% ein hybrides ERP-Modell und bereits mehr als die Hälfte der Unternehmen Cloud Lösungen nutzen. Von den 55% der Unternehmen mit einer Unternehmenssoftware in der Cloud, setzen 21% ein mehrmandantenfähiges System ein, 20% nutzen ein Software as a Service Modell und 14% greifen auf ein nicht mandantenfähiges Cloud ERP zurück. Zwei Prozent der Unternehmen nutzen ein anderes nicht weiter spezifiziertes ERP-Modell.
Die Entscheidung über das passende Bereitstellungsmodell ist oft nicht ganz leicht, da viele verschiedene Aspekte zu berücksichtigen sind. Doch welche Vor- und Nachteile bestehen bei den unterschiedlichen Betriebsarten?
Die Abkürzung "ERP" steht für Enterprise Resource Planning. Diese Softwarelösungen umfassen eine Vielzahl an Modulen und Funktionalitäten, die zur Abbildung aller wesentlichen Unternehmensprozesse erforderlich sind. Hierzu zählen Module wie beispielsweise:
Die Software kann einen Teil dieser Module oder auch alle diese Funktionalitäten in einem System abbilden.
Quer durch das gesamte Unternehmen schafft ein ERP System für alle Abteilungen und Anwender eine einheitliche Datenbasis, wodurch die Kommunikation, der Informationsfluss und die Transparenz meist erheblich verbessert werden. Zugleich werden Redundanzen und Dateninkonsistenzen vermieden.
Im Zuge der Einführung des neuen Enterprise Resource Planning Systems werden die Prozesse und Workflows des Unternehmens auf den Prüfstand gestellt. Danach automatisiert die Software beispielsweise Routineaufgaben und vereinfacht Abläufe. Das Unternehmen erhält zudem einen 360°-Blick auf Projekte sowie Projektressourcen, während das Controlling und die Planung bei Projekten verbessert werden.
Das System unterstützt zumeist die Einhaltung der Compliance-Regeln sowie Best Practices. Da sämtliche Aktivitäten protokolliert werden, erledigt idealerweise das ERP-System die vom Gesetzgeber geforderten Verfahrensdokumentationen zum Beispiel nach den Anforderungen des Handelsgesetzbuches und der Abgabenordnung usw. nebenbei mit.
Die einzelnen Mitarbeiter und Teams eines Unternehmens können deutlich produktiver und effizienter mit einem ERP System arbeiten. Der Verwaltungsaufwand wird mit der Einführung von Unternehmenssoftware meist spürbar reduziert, da zahlreiche Abläufe im Unternehmen automatisiert werden.
Für die Implementierung einer Unternehmenssoftware gibt es verschiedene Möglichkeiten: On-Premises, als Cloud-Lösung (in verschiedenen Ausprägungen wie Software-as-a-Service (SaaS), Platform-as-a-Service (PaaS) und Infrastructure-as-a-Service (IaaS) oder auch als hybride Lösung, einer Mischform der On-Premises und Cloud-Modelle. Die Ansätze On-Premises und Cloud-Lösung haben ihre Vor- und Nachteile.
Im Deutschen bedeutet "On-Premises" so viel wie "vor Ort" oder "in den eigenen Räumlichkeiten". Bei dem Betrieb einer Software On-Premises liegt diese auf dem firmeninternen Rechner bzw. dem Firmenserver. Wartung, Sicherheit und auch Aktualisierungen werden im Unternehmen vor Ort erledigt. Nach dem Lizenzerwerb wird das ERP System auf dem Unternehmensserver installiert und das Unternehmen hat die komplette Kontrolle und Verantwortung für den gesamten Softwarebetrieb.
Vor allem durch das Internet und die Weiterentwicklung technologischer Möglichkeiten erweitert sich das Spektrum an Betriebsarten für ERP Systeme. Als ein Teil des Cloud Computings hat sich auch die "Software as a Service" kurz SaaS-Lösung entwickelt. Hierbei verwaltet ein Cloud- bzw. SaaS Anbieter gegen eine meist jährliche Gebühr Software, Server und Netzwerk für das Unternehmen. Zu unterscheiden ist hierbei noch zwischen einer dedizierten privaten Cloud oder einer öffentlichen bzw. Public Cloud. Private Cloud kann sich je nach Auslegung des Begriffes entweder auf eine Cloud-Lösung beziehen, die sich direkt im Unternehmen befindet oder auf Cloud-Computing Dienste, zu dem nur ausgewählte Nutzer (in diesem Fall nur das eigene Unternehmen) Zugriff haben. Auch hier gibt es weitere Formen wie z.B. die Hybrid Cloud.
Die Betrachtung der Kosten für die unterschiedlichen ERP Betriebsmodelle ist äußerst schwierig, da sehr viele und unterschiedliche Parameter dafür berücksichtigt werden müssen. Hierzu zählen zum Beispiel Kosten für Beratungsleistung, Reorganisation bzw. Anpassung von Prozessen, Schulungen oder Projektmitarbeiter und so weiter. Außerdem müssen Kosten für Hardware, Anzahl der Nutzer, Lizenzen für ERP Software und Datenbanken, Migration, Wartung, Support und Updates berücksichtigt werden.
On-Premises: Für den Betrieb eines ERP Systems vor Ort fallen neben den Lizenzkosten u.a. noch weitere Kosten für betriebsnotwendige Hardware bzw. die entsprechende Infrastruktur an. Zu den Hardwarekosten zählen außer den Kosten für die physischen Server und Computer auch Stromkosten und Serverkonfiguration. Server müssen außerdem regelmäßig ausgetauscht werden. Wird das Rechenzentrum vor Ort betrieben, stehen auch Ausgaben für Gebäudemanagement, Versicherungen etc. auf der Kostenliste.
Außer den relativ hohen Anfangsinvestitionen sind auch die laufenden Wartungs- und Betriebskosten zu berücksichtigen. Die unternehmenseigene IT ist notwendig, um diverse Parameter im System bedarfsgerecht zu konfigurieren, zu aktualisieren und den Betrieb zu überwachen. Des Weiteren sind Kosten für Updates zu berücksichtigen. Die Gebühren für Wartungsverträge hängen in der Regel von Art und Umfang der Lizenz und von der Anzahl der User ab.
Vor-Ort Lösungen sind aufgrund der Investitionskosten anfangs meist deutlich teurer als Cloud Lösungen. Über den gesamten Lebenszyklus der Unternehmenssoftware hinweg relativiert sich dies aber unter Umständen, da für weitere Nutzer und weitere Funktionalität beim Cloud Computing zusätzliche Kosten anfallen können.
Cloud ERP: Bei einem Cloud ERP setzt sich die Kostenstruktur anders zusammen als bei einer Unternehmenssoftware, die vor Ort betrieben wird. Der Anbieter stellt das System im Rahmen eines Abonnements zur Verfügung. Updates und Wartung des Systems erfolgen automatisch in der Cloud und sind in der Regel in den periodisch anfallenden Kosten enthalten. Die Anfangsinvestitionen sind daher meist wesentlicher geringer als bei einer On-Premises Lösung. Die Abonnementgebühren können aber je nach Abo-Modell und Anzahl der Nutzer durchaus kostenintensiv sein.
Der Begriff mobiles ERP taucht immer häufiger im Zusammenhang mit dem Nutzungskonzept auf. Mobilität bezieht sich dabei auf die Unabhängigkeit und auf die zeitliche Verfügbarkeit des Systems. Einzelne Funktionen der Lösungen oder das gesamte System können dabei durch Zugriff über mobile Endgeräte genutzt werden.
Auf ein vor Ort im Unternehmen installiertes ERP kann in der Regel nur beschränkt über mobile Geräte zugegriffen werden. Meist erfordert der mobile Zugriff auf die On-Premises Lösung die Einbindung bzw. auch den Support eines Drittanbieters. Letztlich erhöht sich das Risiko von Sicherheitsfehlern, wenn Mitarbeiter mit evtl. sogar privaten mobilen Endgeräten auf die Software zugreifen können.
Mobilität und auch Flexibilität ist schon per se ein prominentes Merkmal eines Cloud ERP. Hier gehört der mobile Datenzugriff gewissermaßen zur Basisfunktionalität. Eine Unternehmenssoftware in der Cloud macht allerdings nur bei wirklich stabilem und schnellem Internetzugang des Unternehmens Sinn, da bei dem Betrieb eines Enterprise Resource Planning Systems unter Umständen auch sehr große Datenmengen ausgetauscht werden.
Bei On-Premises Lösungen verbleibt die Datenhoheit im Unternehmen selbst. Alle Daten werden durch das unternehmensinterne IT-Team verwaltet. Das Unternehmen selbst ist damit für die Sicherheit der auf den eigenen Servern befindlichen Daten verantwortlich. Hierzu zählen dann auch zum Beispiel die Verantwortung für Backup-Systeme sowie für die Abwehr von Cyberangriffen auf das Unternehmen.
Bei Cloud ERP Systemen werden Auslagerungsverträge zwischen Anbieter und Unternehmen geschlossen, da die gesamten Daten des Unternehmens zum externen Dienstleister übermittelt und extern verwaltet werden. Diese Verträge umfassen nicht nur den entsprechenden Datenschutz nach DSGVO, sondern betreffen in der Regel auch Vereinbarungen über die Datensicherung, Verfügbarkeit der Daten (Netzwerkkonnektivität) usw. Cloud Software Anbieter verfügen oft über verschiedene Redundanzprotokolle und entsprechende Absicherungen gegen z.B. Stromausfall oder Cyberangriffe.
On-Premises ERP sind in der Regel gut anpassbar an die Anforderungen des Unternehmens. Sie können individuell entweder nur über Parametrisierung oder auch durch Anpassungsprogrammierung und zusätzliche Add-ons die vom Unternehmen geforderten Funktionalitäten abbilden. Bereits in der Standardinstallation sind On-Premises Lösungen oft sehr umfangreich. Wächst das Unternehmen oder ändern sich die Anforderungen und der Funktionsumfang reicht nicht mehr aus, sind oft umfangreiche Anpassungen notwendig, die zeit- und kostenintensiv sind.
Cloud ERP sind in der Regel standardisierte Systeme, die nur wenig Möglichkeiten der Anpassung über Parametrisierung bieten. Sie sind meist schneller im Unternehmen einzuführen, lassen sich aber nicht so flexibel an die jeweiligen Unternehmensanforderungen anpassen. Ein besonderer Vorteil von cloudbasierten Lösungen ist, dass sie umfängliche Prozesssuiten inklusive gängiger Branchenprozesse durch zentral vorkonfigurierte Lösungen liefern können. Die Anbieter setzen in der Regel auch auf eine besonders hohe Skalierbarkeit der Anwendung. Steigt zum Beispiel die benötigte Nutzeranzahl, lässt sich das System meist flexibel erweitern. Auch das Hinzubuchen weiterer Module einer ERP Software ist bei einer Cloud Lösung wesentlicher einfacher als bei einem vor Ort installierten System.
Die Frage nach der Datenmigration stellt sich bei einer ERP Installation vor Ort beispielsweise dann, wenn eine Software eines anderen Anbieters eingesetzt werden soll. Die vorhandenen Unternehmensdaten müssen dann komplett und ohne Verluste von einer anderen Software verarbeitet werden können. Wobei sich grundsätzlich bei einer Migration von Daten in ein neues oder nächstes System auch immer die Frage nach "Datenleichen" stellt, die nicht wirklich gebraucht werden und gar nicht erst in ein neues System übernommen werden sollen. Allgemein gilt, bleiben die Daten vor Ort, sind vornehmlich technische Aspekte zu berücksichtigen. Für den Datenimport in das System können vor Ort meist problemlos entsprechende Anpassungen vorgenommen werden.
Bei der Datenmigration der Unternehmensdaten in die Cloud des ERP Anbieters sind neben den technischen Aspekten zusätzlich auch Datenschutzgesetze zu beachten. Oft bieten Cloud Anbieter Tools für den Datenimport in die Cloud an, so dass die technischen Hürden meist nicht zu groß sind. Trotzdem muss für die Migration natürlich auch Zeit für die Datenbereinigung im neuen System eingeplant werden. Daten müssen, je nach Struktur und Umfang des neues Systems, korrigiert oder zusammengeführt werden können. Bei den Daten in der Cloud ist es bezüglich des Datenschutzes bzw. der Compliance zudem entscheidend, wo genau sich der Server befindet. Serverstandorte in der EU bzw. Schweiz sind beispielsweise aus Compliance Gründen Standorten in den USA oder anderen Staaten vorzuziehen.
Die oben genannten Aspekte für einen Vergleich sind einige aus einer Vielzahl an Faktoren. Eine tabellarische Übersicht dieser aufgeführten Vergleichspunkte finden Sie in unseren Software-Tipps zur Auswahl von ERP Software.
Neben dem Kostenvergleich sollte auch der Datenschutz und die Datensicherheit berücksichtigt werden. Wie sensibel sind die Unternehmensdaten? Welche Schutzvorkehrungen wie z.B. Backups, Zugriffsschutz, Verschlüsselungen, Redundanzen hat der Cloud-Anbieter getroffen?
Welche Lösung zu einem Unternehmen am besten passt, ist oft gar nicht so klar zu sagen. Zahlreiche wichtige Variablen, wie beispielsweise die Bedürfnisse, Anforderungen, Internetverfügbarkeit, Ziele und Ressourcen des Unternehmers sind Kriterien, die unbedingt bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollten.