Die digitale Transformation hat den Bewerbungsprozess für Unternehmen und Bewerbende grundlegend verändert. Online-Bewerbungen, KI-gestützte Auswahlverfahren und digitale Vorstellungsgespräche gehören mittlerweile zum Standard. Doch für viele Menschen mit Behinderungen stellen diese modernen Recruiting-Methoden erhebliche Hürden dar.
Laut der Aktion Mensch sind in Deutschland rund 7,8 Millionen Menschen schwerbehindert – ein enormes Potenzial an Fachkräften, das viele Unternehmen nicht ausreichend berücksichtigen. Häufig scheitern Bewerbungen nicht an fehlender Qualifikation, sondern an nicht barrierefreien Online-Formularen, unzugänglichen Bewerbungsportalen oder automatisierten Systemen, die Inklusion nicht berücksichtigen. Genau hier setzt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) an, das am 28. Juni 2025 in Kraft tritt.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde eingeführt, um die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Es setzt die Vorgaben des European Accessibility Act (EAA) in nationales Recht um und verpflichtet Unternehmen, bestimmte digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Besonders betroffen sind Bereiche, die eine zentrale Rolle im Alltag spielen.
Für Unternehmen bedeutet das: Digitale Bewerbungsprozesse sollten so gestaltet sein, dass sie für alle Menschen, unabhängig von körperlichen oder sensorischen Einschränkungen, zugänglich sind. Bei Recruiting-Software liegt der Fokus auf denjenigen Bereichen, die direkt mit der Interaktion von Bewerbenden und dem Unternehmen zusammenhängen, wie z.B. Bewerbungsportale und Online-Formulare.
Eine inklusive Recruiting-Software sollte sicherstellen, dass alle Bewerbenden – unabhängig von körperlichen oder kognitiven Einschränkungen – den Bewerbungsprozess ohne Barrieren durchlaufen können. Die wesentlichen Anforderungen sind:
Kompatibilität mit Assistenz-Technologien: Die Software muss mit Screenreadern, Braillezeilen und Sprachausgaben kompatibel sein.
Barrierefreie Navigation: Alle Funktionen müssen ohne Maus, z. B. per Tastatur oder Spracheingabe, bedienbar sein.
Lesbarkeit und Verständlichkeit: Inhalte und Formulare müssen klar strukturiert sein, hohe Kontraste bieten und sich an den Prinzipien der Leichten Sprache orientieren.
Alternative Kommunikationswege: Neben schriftlichen Bewerbungen sollten auch Audio- oder Videoformate unterstützt werden.
Nicht-diskriminierende KI-Systeme: Automatisierte Auswahlverfahren müssen so gestaltet sein, dass keine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen erfolgt.
Die technische Barrierefreiheit richtet sich nach den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1). Besonders relevant für Recruiting-Software sind folgende Aspekte:
Neben der technischen Umsetzung ist auch die Gestaltung des Bewerbungsprozesses entscheidend, um Chancengleichheit zu gewährleisten.
Eine barrierefreie Recruiting-Software muss sowohl technische als auch funktionale Anforderungen erfüllen, um allen Bewerbenden eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Die Einhaltung der WCAG 2.1-Richtlinien, die Unterstützung alternativer Bewerbungswege und diskriminierungsfreie KI-Systeme sind essenziell, um Chancengleichheit und Inklusion im Bewerbungsprozess sicherzustellen.
Barrierefreiheit im Recruiting ist kein bloßer Compliance-Faktor, sondern stellt gleichzeitig auch eine Chance für Unternehmen dar:
Größere Talentpools: Unternehmen erschließen ein breiteres Spektrum an Fachkräften.
Bessere Employer Brand: Ein inklusiver Bewerbungsprozess verbessert das Unternehmensimage.
Rechtliche Sicherheit: Unternehmen vermeiden rechtliche Risiken und mögliche Sanktionen.
Höhere Candidate Experience: Alle Bewerbende erleben einen fairen, professionellen Prozess.
Barrierefreie Recruiting-Software ist ein Zeichen von sozialer Verantwortung und Chancengleichheit. Unternehmen, die frühzeitig auf digitale Barrierefreiheit setzen, stärken ihre Arbeitgebermarke und positionieren sich als attraktive, inklusive Arbeitgeber.
Die barrierefreie Gestaltung von Recruiting-Prozessen bietet eine Chance für Unternehmen, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und ein breiteres Spektrum an Talenten anzusprechen. Digitale Recruiting-Tools sollten daher in den Bereichen, in denen Bewerbende direkt mit dem Unternehmen oder der Organsiation interagieren, für Menschen mit Seh-, Hör- oder motorischen Einschränkungen zugänglich sein, den WCAG 2.1-Standards entsprechen und mit Assistenz-Technologien kompatibel sein. Unternehmen profitieren von mehr Diversität. Ein inklusiver Bewerbungsprozess eröffnet neue Talentpools und verbessert die Candidate Experience.
📌 Richtlinien & Gesetze:
EU-Richtlinie über digitale Barrierefreiheit (European Accessibility Act, EAA)
Übersicht über Gesetze und Richtlinien - Bundesministerium des Innern und für Heimat
📌 Technische Standards für barrierefreie Software:
📌 Praktische Hilfsmittel für Unternehmen:
Checkliste für barrierefreie Bewerbungsprozesse (PDF-Download)
Umsetzungshilfen (Checklisten) – Bundesministerium des Innern und für Heimat